
Jeden Tag sind die Nachrichten voll von Meldungen über hohe Lebensmittelpreise. Natürlich sind solche Preise ein echtes Problem für Menschen mit niedrigerem Einkommen, aber ist Essen generell teuer? Was ist teures Essen eigentlich? Zahlen wir die gesamten Kosten für unser Essen? Wer zahlt wirklich für das Essen drauf?
Lebensmittel verbergen viele versteckten Kosten, die die Preise der Lebensmittel in Geschäften nicht widerspiegeln. Das eigentliche Problem mit den Lebensmittelpreisen ist also, dass wir nicht die gesamten Kosten für das Essen tragen. Wir bezahlen nichts dafür, dass wir das Grundwasser mit dem Unkrautvertilgungsmittel „Round-up“ in Dänemark verschmutzen. Wir zahlen nichts für die schrumpfende Grundwassermenge in den USA. Wir zahlen nichts für die Krankenversorgungskosten der Wanderarbeiter in Thailand, die in der Geflügelindustrie arbeiten und so dicht nebeneinander stehen müssen, dass sie sich gegenseitig schneiden. Wir lassen die Landarbeiter, die Tiere und die Natur diese Kosten tragen.
Unsere Lebensmittel sind also eigentlich billig, da diese zusätzlichen Kosten und äußeren Auswirkungen nicht miteinberechnet sind. Genauer gesagt müssten sie um ein Drittel teurer sein, um diese versteckten Kosten widerzuspiegeln. Aber wie berechnet man den Wert von zerstörter Natur, verschmutztem Wasser oder Krebserkrankungen? Diese äußeren Umstände erklären auch, warum nachhaltige und gesunde Lebensmittel für Verbraucher oft teurer als nicht nachhaltige, ungesunde Lebensmittel sind. Und dementsprechend sind nicht nachhaltige Lebensmittel auch profitabler.
Lebensmittel sind Teil des globalen, industriellen Handels, was zur Folge hat, dass die Verbraucher den Kontakt zur Lebensmittelproduktion und den Respekt vor Lebensmitteln verloren haben. Wir verschwenden Lebensmittel entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette. Wir respektieren die Arbeitsbedingungen von Landwirten und Lebensmittelproduzenten nicht, da wir sie nicht kennen oder sehen. Manchmal sehen wir im Fernsehen schreckliche Aufnahmen von den Zuständen in Schweine- oder Hühnerbetrieben und der Verbrauch sinkt für kurze Zeit, nur um sich bald wieder zu relativieren. Und jetzt, mit der Inflation, versuchen wir zu vergessen, was wir über nachhaltige Lebensmittelproduktion wissen.
Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen der Lebensmittelproduktion und den Krisen, in denen wir uns befinden – Klimawandel, Pandemie, Inflation, Biodiversitätsverlust. Aufgrund der Wirtschaftskrise kaufen wir die billigsten Lebensmittel, obwohl wir wissen, dass sie die Natur und die Lebensmittelproduzenten nur noch mehr Schaden zufügen. Wenn man sich die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ansieht, stellt man fest, dass ziemlich viele von ihnen mit der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion oder dem Konsum zu tun haben. Es ist also alles miteinander verbunden.
Billige Lebensmittel bedeuten hohe versteckte Kosten, ein sehr hohes Risiko und langfristige Konsequenzen. Um Lebensmittel billig zu halten, muss an einem Ort mit vielen Tieren hoch-effektiv produziert werden. Das erhöht das Erkrankungsrisiko der Tiere, also füttert man ihnen immer mehr Antibiotika zu. Und diese vielen Antibiotika in den Lebensmitteln erschweren die Heilung von Menschen, die während einer Pandemie oder auf eine andere Art erkranken. Durch die Verwendung von zu vielen Antibiotika werden also Menschenleben aufs Spiel gesetzt.
Die Art und Weise, wie wir mit unseren Lebensmitteln umgehen, ruiniert sowohl unsere Landwirte als auch die Natur. Im Ruinieren sind wir ja ziemlich gut geworden ‒ auch wenn wir wissen, was die Konsequenzen sind, tun wir es trotzdem. Die Landwirtschaftsbetriebe sind auf ein stabiles Klima angewiesen, tragen aber durch industrielle Bewirtschaftung selbst weiter zum Klimawandel bei.
Haben die hohen Lebensmittelpreise also positive Seiten? Vielleicht. Wir verschwenden weniger Lebensmittel, wenn wir im Hinterkopf haben, dass sie teuer waren. Die Leute kaufen auch weniger Fertiggerichte und produzieren mehr selbst. Energiefressendes Gemüse, das im Winter im Gewächshaus angebaut wurde, wird weniger gekauft, was gut sein könnte. Das Essen von saisonalem Gemüse könnte wieder normal werden und sogar das Anbauen von Gemüse im eigenen Garten wird beliebter.
Wir brauchen eine Lebensmittelrevolution! Wir brauchen neue Ideen für mehr Kreativität und eine Neugestaltung des Lebensmittelsystems! Wir müssen aufhören zu glauben, dass die gleichen Ideen, die uns in diese Situation gebracht haben, unsere Probleme lösen werden!
In diesen krisenreichen Zeiten ist es wichtiger denn je, das Lebensmittelsystem nachhaltiger zu gestalten. Die steigenden Lebensmittelpreise, die Pandemie, der Klimawandel – das alles könnte ein Ansatzpunkt für Veränderung sein. Die Landwirtschaft kann ein Werkzeug für die Planung und Gestaltung der Landschaft um uns herum sein und so helfen, den Respekt für Landwirte und Natur zurückzugewinnen.
Unser Essen muss wieder mehr aus Lebensmitteln bestehen, die lokal und entsprechend unserem Klima angebaut werden. Wir können nicht überall auf der Welt das Gleiche essen. Wir brauchen nicht in allen Restaurants der Welt Burger und Pizza.
Landwirte können sich eher um die Landschaft und die Tiere kümmern, wenn sie nicht jeden Tag durch hohe Kosten und niedrige Bezahlung unter Druck gesetzt werden. Ein vielfältiger regionaler Landwirtschaftssektor macht uns widerstandsfähiger, bereitet uns besser auf Krisen vor und erlaubt es uns, nicht mehr den Großteil unserer Lebensmittel importieren zu müssen.
Wenn man Lebensmittel beim regionalen Bio-Bauern kauft, trägt man aktiv dazu bei, dass die Landschaft um uns herum zu einem attraktiven und lebendigen ländlichen Raum mit hoher Artenvielfalt wird. Der Preis, den man also für Lebensmittel zahlt, ist eine Investition in die lokale Wirtschaft und in das Lebensmittelökosystem. Wir können eine Lebensmittelrevolution starten, wenn wir nachhaltige und bessere Lebensmittel kaufen.
Esst Lebensmittel aus einer Landschaft, die ihr gerne sehen wollt ‒ hergestellt von Menschen, die ihr kennt. Wir gestalten unsere Umwelt durch unser Essen.
Christina Hedin arbeitet seit 15 Jahren für das Swedish National Center for Artisan Food. Jetzt ist sie lokale Leiterin für politische Arbeit in der Stadt Östersund. Christina Hedin ist seit 2015 in die Arbeit der UNESCO Creative Cities involviert und war die Vorsitzende der Lenkungsgruppe für das X. Jahrestreffen des UNESCO Creative Cities Network in Östersund, 2016. Christina Hedin hat sich in allen Jobs und Positionen auf Umweltfragen und die Entwicklung lokaler und biologischer Lebensmittel konzentriert. Hedin hat einen B.Sc. in Umweltwissenschaften von der Mid Sweden University.