
Wir sind heute hier, um über die Queere Revolution und die dringende Notwendigkeit zu sprechen, das Feld des Designs zu queeren. Design ist nicht nur eine persönliche Wahl oder eine ästhetische Vorliebe, es ist politisch. Es spiegelt die Werte und Überzeugungen der Gesellschaft wider, in der wir leben, und es prägt unsere alltäglichen Erfahrungen. Als queere Wesen wurden wir gezwungen, uns hinter den Mauern zu verstecken, die von Anhängern der patriarchalen Heteronormativität seit Jahrhunderten errichtet wurden. Wir wurden von Fanatikern und Religionen unterdrückt, gejagt und abgeschlachtet. Sie haben versucht, uns von der Natur, unseren Körpern und der Realität unserer Macht zu trennen. Aber wir waren schon immer da, infiltrierten und beeinflussten die Welt des Designs auf unsere eigene Art und Weise.
Wir sind nicht daran interessiert, uns in die sterbende Realität degenerierter alter weißer cis-Männer assimilieren zu lassen. Wir wollen Teil des Designs einer neuen Realität sein. Wir wollen Teil der Revolution sein. Als queere Designer haben wir die Macht, diesen Wandel anzustoßen und queere Räume zu schaffen.
Queerer Raum ist ein Raum der Möglichkeiten, der Lücken, Überlappungen, Dissonanzen, Resonanzen, Verfehlungen und Bedeutungsexsessen. Es trägt die Möglichkeit in sich, anders zu handeln, normative Räume herauszufordern und deren Regel Korsett zu durchbrechen. Queerer Raum ist ein Raum im Prozess, ein werdender Raum, ein Raum des Wandels, der trotz seiner temporalität Territorium beansprucht. Es ist ein ambivalenter, offener, selbstkritischer, ironischer und vergänglicher Raum der bleibende Bilder hinterlässt.
Um Heteronormativität zu kritisieren, müssen sich queere Räume eine dauerhafte Präsenz erobern. Queere Räume, die im Untergrund von Städten und Ortschaften versteckt sind, schaffen nichts anderes als Erscheinungen, die vergessen und aus der Kultur getilgt werden können. Wir müssen eine sichtbarere Präsenz in der Kreativindustrie erlangen, um ernst genommen zu werden und echte Veränderungen zu bewirken.
Als queere Wesen brauchen wir einen Raum, in dem wir erkunden können, wer wir wirklich sind, wo wir unsere fluide Geschlechtervielfalt ausleben und unsere äußere Erscheinung so oft ändern können, wie wir es möchten. Wir brauchen einen Raum, in dem wir exzentrisch, unverfroren und unser selbst gewähltes Sein strahlen lassen können. Wir haben das Recht, anders zu sein, zu glänzen, zu zeigen, dass wir hier sind ohne uns von Trugbildern des hetero-kapitalistischen Lifestyles assimilieren zu lassen.
Eine queere Architektur muss historische Unterdrückungssysteme innerhalb der Architektur abbauen, insbesondere den Akt des Entwerfens und Bauens als Werkzeug der Dominanz über marginalisierte Menschen. Eine queer geprägte Architektur ist durchträgt von Radikalität, da sie ein neues Paradigma vorschlägt: eine Architektur, die gleichzeitig gebaut und abgebaut wird, sich permanent verändernd in einem Zustand des Wandels ist; eine Architektur der Unmöglichkeit, die ständig in Mutation, Metamorphose und im Seinszustand der Fluidität verweilt und gleichzeitig eine stabile Präsenz zeigt.
Wenn wir mit dem Wissen um die Macht queerer Räume und ihre Bedeutung in der Gesellschaft, im öffentlichen Raum und in der gebauten Umwelt weiterarbeiten, können wir hoffen, dass diese Informationen den Horizont von Architekten und Designern, die nicht queer sind, immer weiter öffnen und erweitern. Für den Fall, dass auch Sie sich als queer identifizieren, soll die Anerkennung Ihrer Existenz Sie ermutigen, mehr Raum einzunehmen, stolzer zu sein und Arbeiten zu produzieren, die vollkommen und kompromisslos queer sind, und sich der glorreichen Linie bewusst zu werden, in der Ihre Arbeit stehen wird.
Abschließend möchten wir unsere aktuelle, gebaute Umwelt in Frage stellen, oder die Frage stellen, ob sie queere Bedürfnisse ernst nimmt. Städtebau und Wohnbau sind größtenteils das Werk von Heterosexuellen, die bewusst oder unbewusst ihre normativen Ideen auf alles anwenden. Es ist an der Zeit, uns zu fragen: Welche Art von gebauter Umgebung wünschen sich die mehr als 14% der Bevölkerung die sich als queer identifiziert? Wir haben gemeinsam die Macht, echte Veränderungen zu bewirken und eine Welt zu schaffen, in der queere gebaute Umwelt sichtbar, akzeptiert und gefeiert wird. Die Revolution muss nicht kommen; sie ist bereits hier, und wir sind Teil ihr.
Wir möchten den folgenden Forscher:innen, Schriftsteller:innen, Aktivist:innen und Künstler:innen für ihre Arbeit danken, die unsere Rede inspiriert haben. Wir haben ihre Worte in einer nicht-akademischen und vielleicht queeren Art und Weise kombiniert und verflochten, indem wir Fragmente gesammelt und hoffentlich auf eine Weise angeordnet haben, die geschätzt wird.
Aaron Betsky, Queer Space – Architecture and Same Sex Desire, 1997 / Paul B. Preciado, Interview Spiegel Kultur, 2020 / Paul B. Preciado, Pornotopia, 2014 / Jaffer Kolb, Stand By Your Monster and Some Queer Methods, Princeton University, 2017 / Andrés Jaque, Intimate Strangers, London Design Museum, 2017 / Cristopher Reed, Imminent Domain: Queer Space in the Built Environment, 1996 / Evan Pavka, in AZURE Magazine, What do we mean by queer space?, 2020 / Lucas Cassidy Crawford, in Transgender Architectonics, 2015 / J. Cottrill, in Queering Architecture / Eloise Choquette, in archithese queer, 2020 / Jörg Himmelreich, in archithese queer, 2020 / Jullia Joson, Queer Spaces: Why Are They Important in Architecture and the Public Realm?, Article ArchDaily, 2022
Io Tondolo und Itshe Petz sind Designer:innen, Kurator:innen und Künstler:innen. Sie leiten gemeinsam ihre Designagentur SelfSightSeeing Company. Ihr Fokus liegt auf Sustainable Design und künstlerische Designkonzepte unter Einbeziehung der User:innen. Für ihre Projekte entwickeln sie eigene Möbelunikate mit einem Schwerpunkt auf Reuse von Materialien, eigene Stoff- und Tapetenkollektionen, Lichtobjekte und Rauminstallationen.
Als Kurator:innen leiten sie die kulturfrische. Sie entwickeln Bespielungskonzepte für Leerstand und verbinden Kulturprogramm mit Tourismus am Land. Mit einem Residency Programm geben sie Designer:innen und Künstler:innen die Möglichkeit am Land in Ruhe an Projekten zu arbeiten. Als Künstler:innen arbeiten Sie fortwährend an ihrem Langzeitprojekt itshe+io, einer Selbstinszenierung zwischen Business Artist und queerem Aktivismus. In ihren Werken behandeln Sie gesellschaftliche Themen mit kunstbasierter Forschung.
Mit ihrem Projekt: Absteige zur bärtigen Therese, einer queeren Herberge auf der Alm engagieren sich itshe+io für queeren Raum und Akzeptanz am Land. Sie sind Gastdozen:innen für Social and Sustainable Design an der FH Joanneum und für Performancekunst an der Pädagogischen Hochschule Graz.