Revolution des (Nicht-)Bauens
Grand Opening 2023: Revolutionsrede von Daniel Fuhrhop im Rahmen des Grand Openings

Eine Revolutionsrede ist hier angekündigt – und revolutionär wäre es beim Bauen, wenn wir einfach mal nicht bauen würden.  Wenn wir stattdessen die Häuser, die wir schon haben, besser nutzen.

Wenn wir es schaffen, die vorhandenen Wohnflächen besser zu nutzen, würden wir uns viel Ärger sparen: Bauen vernichtet unsere Äcker und Wiesen. Es zersiedelt die Landschaft. Es versiegelt die Böden, kein Wasser kann versickern. Bauen vernichtet in den Städten das kühlende Grün, das doch immer wichtiger wird in den Sommern, die durch den Klimawandel immer heißer werden. Und Bauen verbraucht Sand, Kies und Zement. Das belastet nicht zuletzt das Klima – allein die Zementherstellung verursacht acht Prozent aller Treibhausgase, fast doppelt soviel wie das Fliegen. All diese Probleme würden wir uns sparen, wenn wir auf Neubau verzichten könnten. Dafür müssten wir die Fläche, die wir haben, besser nutzen.

Wir haben im Durchschnitt immer mehr Wohnfläche pro Kopf, aber es gibt viele Menschen, die dringend eine Wohnung suchen. Im Gegensatz dazu wohnen andere Menschen auf sehr großer Fläche. Allein im Haus, damit sind manche ältere Personen nicht glücklich, sondern sie fühlen sich einsam. Sie fragen sich, wie sie anders mit ihrem Wohnraum umgehen können. Um Antworten zu finden, sprechen wir am besten mit den älteren Menschen. Das tue ich jetzt: Mit einer  älteren Dame, die allein im Haus lebt, mit Frau Mohs.

Frau Mohs: Moin miteinander. Ich komme aus dem Norden. Schön hier im Süden. Tatsächlich ist es so, wie Herr Fuhrhop es sagt: Ich wohne allein in meinem großen Haus, die Kinder sind schon lange ausgezogen, und der Gerhard schaut sich das alles von oben an. Ich würde gern anders wohnen, und ich weiß auch, es gibt viele Menschen, die suchen dringend Wohnraum. Herr Fuhrhop, was können Sie mir anbieten?

Herr Fuhrhop: Frau Mohs, ich kann ihnen fünf verschiedene Angebote machen. Das erste wäre eine Art Untermieter: Wir vermitteln ihnen eine junge Person, die wenig Miete zahlt, aber im Haushalt hilft und mit ihnen zusammenwohnt.

Frau Mohs: Das hört sich gut an, her mit den jungen Leuten! Dann können die mir nicht nur helfen, man kann auch mal ein Schwätzchen zusammen halten, Karten kloppen oder ein Schnäpschen trinken.

Herr Fuhrhop: Moment, Frau Mohs, ich wollte ihnen noch andere Möglichkeiten anbieten. Dafür habe ich eine Formel entwickelt, 3U & VW, und Untermiete ist das erste U. Das zweite U wäre der Umzug in eine kleinere Wohnung, dann müssen sie sich um weniger kümmern, und andere können in ihr großes  Haus ziehen.

Frau Mohs: Nein, das kann ich mir nicht gut vorstellen: Eine kleinere Wohnung kostet oft mehr als die große. Außerdem möchte ich gern bleiben, wo ich bin.

Herr Fuhrhop: So wie Ihnen geht es vielen, deshalb sind Projekte wie Wohnungstauschbörsen und Umzugsprämien oft Flops. Aber es gibt noch ein drittes U nach Untermiete und Umzug: der Umbau. Wir könnten etwas abtrennen, und diese Wohnung dann vermieten. Ohne Zusammenwohnen und Schäpschen trinken, getrennter Eingang, getrennte Wohnungen.

Frau Mohs: Das kann ich mir schon vorstellen, aber wer kommt dann da rein?

Herr Fuhrhop: Da können wir ihnen jemand vermitteln, das V der Formel 3U & VW, und die Miete garantieren wir ihnen, und es gibt jemand, der sich um jeden Ärger sofort kümmert.

Frau Mohs: Hört sich gut an. Aber eigentlich wollte ich doch mit jemand zusammenwohnen!

Herr Fuhrhop: Wenn sie Gesellschaft möchten, können wir gemeinschaftliches Wohnen organisieren, das W in 3U & VW. So entsteht ein kleines Wohnprojekt mit mehreren alten und jungen Leuten.

Frau Mohs: Eine Person, viele Personen, umbauen, umziehen, das sind so viele Möglichkeiten, das müssen wir ein bisschen gründlicher besprechen.

Herr Fuhrhop: Genau das tun wir hier in Graz: Kommen Sie morgen Nachmittag von 14 bis 18 Uhr zu uns, zum Panel „revolutionize the built environment“. Diskutieren Sie mit – was  bieten wir den Menschen, die allein im Haus wohnen wie Frau Mohs?

Frau Mohs: Ihr könnt ja noch weiter reden, aber ich sage dann schonmal Tschüß bis morgen!

Herr Fuhrhop: Vielen Dank Frau Mohs!

Wenn es uns gelingt, Frau Mohs die richtigen Angebote zu machen, und allen Menschen, die allein im Haus wohnen und das nicht möchten, wird die Fläche frei, die andere dringend suchen. Dann schaffen wir dringend benötigten Wohnraum. Wir bringen Menschen zusammen mit mehr Nähe und Nachbarschaft. Und wir schützen den Boden und das Klima, denn wir sparen uns all den Ärger mit Neubau. Und lösen eine Revolution im Bauen aus, indem wir nicht bauen.

Daniel Fuhrhop

Daniel Fuhrhop, Wohnwendeökonom, berät Kommunen, wie sich Wohnraum durch Beratung von Eigentümerinnen besser nutzen lässt. Fuhrhop schrieb die Streitschrift „Verbietet das Bauen!“ und den Ratgeber „Einfach anders wohnen“. Zuvor war er fünfzehn Jahre Unternehmer und leitete den Stadtwandel Verlag. 2021 kandidierte er als Oberbürgermeister von Oldenburg und erreichte in der Stichwahl 46%. Er lebt seit 2022 in Potsdam. Im Sommer 2023 erscheint seine Dissertation zum „unsichtbaren Wohnraum“.